Historie

Hayungshof steht mittendrin

Seit mehr als 1000 Jahren ist die Region Dunum und
Brill mit ihren Menschen von der Landwirtschaft geprägt,
die sich immer wieder veränderte. Im Mittelalter
wurden große Flächen mit Flachs angebaut, zum Ende
des Mittelalters ernteten die Bauern Roggen als Brotgetreide.
Zunächst wurden nur rund um die Gaste Wallhecken
angelegt, die sich ideal als natürlicher Schutz der
Anbauflächen bei Küstenwind herausstellte. Gaste waren
vom Mittelalter bis Mitte des 19. Jahrhunderts abgegrenzte
Ackerflächen mitten im Heidegebiet, in dem das
Vieh weidete. Später im 18. Jahrhundert wurden den Bewohnern
auf Anordnung Friedrichs des Großen Äcker
und Ländereien zugeteilt, die sie ebenfalls mit Wällen
abzugrenzen hatten. Noch heute gibt es Höfe in Dunum,
die bereits seit dieser Zeit Platzhalter sind, einige von
ihnen sind sogar Erbhöfe.
Die Strukturen in der Landwirtschaft haben sich immer
wieder gewandelt und weiterentwickelt, besonders aber
nach den 1950er Jahren. Bewirtschaftete der Landwirt,
der Kühe, Schweine und Hühner hielt, sein Acker- und
Weideland mit Unterstützung von Knechten und Mäg-
den zuvor mit Hilfe von lebenden Pferdestärken, so
setzte sich in diesen Jahrzehnten eine rasante technische
Entwicklung durch: Trecker verdrängten die Nutzkraft
der Pferde, Maschinen in der Scheune ersetzten menschliche
Kräfte ab.
Nach der Flut von Hof-Stilllegungen in den l 960er und
1970er Jahren spezialisierten sich die Landwirte immer
mehr, um existenzfähig zu bleiben. Sie entschieden sich
für Ackerbau oder Milchwirtschaft, Rinder- oder
Schweinezucht. In zunehmendem Maße beteiligten sich
Landwirte an der regenerativen Energieerzeugung und
ließen Windkraftanlagen und Biomasse-Kleinkraftwerke
bauen. Seinem Ursprung treu bleibend präsentieren sich
Dunum und Brill bis heute als „Bauerndorf‘ mit einer
Vielzahl an Landwirten, die mitten in der erhalten gebliebenen
Wallheckenlandschaft mit Leib und Seele ihrer
Profession nachgehen.
Als wahrer Zeitzeuge, der allerdings die Technisierung
der letzten Jahrzehnte nicht mehr mitgemacht hat,
steht der Hayungshof am Fuß der Kirchenwarft mitten
im Dorf. Das im Originalzustand verbliebene Anwesen,
in dem zuletzt Lene Hayungs wohnte, hat die Gemeinde
Dunum im September 2006 auf Initiative des
Heimat- und Verkehrsvereins Dunum angekauft und
bis zum Sommer 2010 in vorbildlicher Weise sowie
breiter Unterstützung aus der Bevölkerung zu einem
sehenswerten Dorfgemeinschaftshaus umbauen und
restaurieren lassen. So lässt sich an dem unter Denkmalschutz
stehenden Hayungshof am Süddunumer
Weg nachvollziehen, wie man im ausgehenden 19. Jahrhundert
mitten in Ostfriesland typischer Weise Gulfhöfe
anlegte, bei denen Wohntrakt und Landwirtschaftsteil
mit Ställen und Lagerflächen im engen
Zusammenhang konzipiert wurden. Nach Meinung der
Denkmalschützer handelt es sich hier um einen besonders
schön erhaltenen Gulfhof mittlerer Größe mit
Ständerwerk.
Der bis heute mit zahlreichen Details im Ursprung erhalten
gebliebene Hof der Familie Hayungs wurde in
den Jahren 1890 bis 1892 vom Landwirt Hinrich Peters
Hayungs (1845 – 1921) erbaut und in Betrieb genommen.
Zuvor hatte sich hier schon ein älterer Bauernhof
befunden, der traufenständig zur Straße und noch näher
bis zum Glockenturm stand und von dem eine Nebenscheune
noch mit übernommen wurde. Zusammen mit
seiner Frau Helena Catharina, geb. Claassen, aus Neugaude
(1851 – 1927), hatte er neun Kinder.
Im Gulfhof ist der 120 Quadratmeter große Wohnteil
verbunden mit dem 450 Quadratmeter großen Wirtschafts-
beziehungsweise Scheunentrakt. Zwischen beiden
Bereichen verläuft ein durchgängiger Flur, der nach
Süden und Norden eine Außentür besitzt. In der Wohnküche
des Gulfhauses befinden sich in traditioneller Art
zwei Butzen mit jeweils einem Bett sowie eine einst offene
Feuerstelle, an dessen Schornstein später ein Stangenherd
angeschlossen wurde.
Daneben schließt sich die etwas höher gelegene Upkammer,
die gute Stube mit Sofa und Möbelstücken, und dem
darunter befindlichen Hochkeller für die Nahrungsmittelbevorratung
an. Auf der anderen Seite der Küche befinden
sich zwei Schlafzimmer. Die Wände wurden mit
Schablonenmalereien verziert, die Holzdecke mit dem
kräftig-roten „Ochsenblut“-Farbton gestrichen. Die Gulfscheune
erschließt sich vom Wohnhaus über die Hinterküche,
in der sich neben weiteren Butzenbetten für die
Knechte auch der Waschstein mit Ablaufrinne nach draußen
befand. Unter den Betten wurden Kartoffeln gelagert.
Die Scheune wurde seit dem Bau nicht mehr verändert.
Die Familie Hayungs betrieb eine reine Rinderhaltung
und richtete auch den Stalltrakt danach mit Tränken und
Stroh-/Heulager ein. Für die Bewirtschaftung der rückwärtigen
Ländereien wurden Pferde gehalten, die hier
neben dem Kälberstall ebenfalls Platz fanden. Aber es
wurden auch Schweine und Hühner gehalten. Am Ende
des Kuhstalls befand sich der einzige Abort des Hauses,
das Plumpsklo. Auf der Nordseite hatte der Bauer eine
Pütt, einen Wasserbrunnen, eingerichtet. Vor dem Haus
standen ein paar Obstbäume.
Nach dem Hoferbauer Hinrich Peters Hayungs ging das
Anwesen auf den drittältesten Sohn von neun Kindern,
Johann Hinrich Hayungs (1887 – 1946) über. Er war mit
Maria Magdalene, geb. Janßen ( 1896 – 1979), verheiratet.
Später wohnte schließlich die Tochter Helene Margarethe
Hayungs (gerufen Lene Hayungs) in diesem Haus.
Als die Pferde Mitte des 20. Jahrhunderts abgeschafft
wurden, stellte Lene Hayungs die Bewirtschaftung der
20 Hektar großen, zum Hof gehörenden Flächen nicht
auf elektrisch betriebene Maschinen um, sondern ließ
die Arbeiten von beauftragten Dienstleistern erledigen.
Ackerbau wurde fortan nur noch für den eigenen Bedarf
getätigt. Mit auf dem Bauernhoflebte und arbeitete über
Jahrzehnte Landwirtschaftsarbeiter Johann Thaden, gerufen
„Ohni achtern Klocktoorn“ (1904 – 1986)-er war
ein unverheirateter Sohn von Teite Maria, geb. Hayungs
(1875 – 1924), der ältesten Schwester von Johann Hinrich
Hayungs.
Ende der 1970er Jahre wurde die abgängige Tonziegeleindeckung
gegen eine Wellplatten-Dacheindeckung
ausgetauscht. Erst nachdem „Ohni“ Thaden gestorben
war, wurde auf dem Bauernhof am Anfang des Süddunumer
Wegs nicht mehr gewirtschaftet. Seit 2000 stand
das Gebäude danach leer, bis es 2006 an die Gemeinde
überging. Nach dem Grundstücksankauf begannen am
27. August 2007 die ersten Aufräumarbeiten, die vor
allem Dunumer zum Beispiel aus Heimat- und Verkehrsverein,
Spielschar und Sozialverband erledigten.
Die Bündelung der Aktivitäten zwischen ehrenamtlichen
Mitarbeitern, Vereinen, Gemeinde, Agentur für Arbeit,
und Kreishandwerkerschaft lag bei Bürgermeister Erwin
Freimuth, um das Konzept kümmerte sich ein Arbeitskreis
unter Federführung von Bauausschussvorsitzendem
Ratsherrn Arend Arends und seines Ratskollegen
Anfried Arends. Begleitet wurde die Sanierung nach
denkmalgerechten Gesichtspunkten von Baukonservator
Hermann Schiefer und den niedersächsischen Behörden
für Geoinformation, Landentwicklung und
Liegenschaften ( GLL). Die Kreishandwerkerschaft Wittmund
nutzte den Umbau des Hayungshofes, um an diesem
Objekt mit Umschülern beispielhaft alte
Handwerkstechniken zu trainieren und Bauhandwerker
zusätzlich für die Instandsetzung von historischen Gebäuden
zu qualifizieren.
Während das Wohnhaus Museumszwecken dienen soll,
entstand im Stall ein Veranstaltungssaal mit Bühnenfläche.
Die sanitären Anlagen erhielten an der Westseite des
Stalls, dem ehemaligen Pferdestall, einen neuen Standort.
Auch der Außenbereich wird in seinem ursprünglichen
Zustand weitestgehend wieder hergestellt. Nach
Fertigstellung soll der Hayungshof als Dorfgemeinschaftshaus
dienen und für vielfältige kulturelle Veranstaltungen
zur Verfügung stehen.